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Die verletzte Welt

 Alea Horst im Interview

Interview / Maielin van Eilum

UTIYA Magazine

Liebe Alea Horst, du sagst, im Englischunterricht hättest du geträumt. Wie verständigst du dich weltweit?

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ALEA HORST

Mein Englisch (kichert), aber es kommt mir zugute, denn die Menschen, die ich interviewe und fotografiere, sprechen das gleiche einfache Englisch wie ich. Hätte ich ein Oxford-Akzent, würden sie mich nicht verstehen.

Israel 2018

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Jordanien 2016

Du bezeichnest dich als Angsthasen. Möglicherweise definiere ich das Wort anders. Ich stelle mir darunter keine Frau vor, die 2019 nach Syrien fährt.

 

Ich war nicht im Kriegsgebiet. Damaskus, Aleppo und Tartus waren bereits befriedet.

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Das stimmt. Aber auch noch nach deinem Aufenthalt fielen Bomben auf Damaskus. Und Terroranschläge, Entführungen, ein zusammengebrochenes Kreditkartensystem sowie eine geschlossene deutsche Botschaft gehören nicht zu den Merkmalen eines sicheren Reiselandes.

 

Natürlich war es gefährlich, aber die letzten Jahre haben mich sehr verändert. Ich bin keine Abenteuerin, ich wollte nie die Welt sehen, mir reicht ein Waldspaziergang. Als ich 2016 für I AM YOU ins Flüchtlingslager von Lesbos fuhr, reiste ich das erste Mal alleine.

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Ich bekam auch sehr früh Kinder, und als ich mich als Hochzeitsfotografin selbstständig machte, war das Arbeit ohne Ende.

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Du erinnerst mich an den kleinen Hobbit, der wollte auch unbedingt zuhause bleiben, machte sich dann aber auf, um die Welt zu retten.

 

(Schmunzelt) Ja, das passt. Ich hätte es selbst nie für möglich gehalten, dass ich in vier Jahren 15 Länder bereise und an die 100 Projekte mache. Das war nicht geplant, ich wollte nur Flüchtlingen auf Lesbos Brote schmieren.

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Du warst weltweit an den schlimmsten Orten, aber beschreibst Bangladesch als deine traurigste Erfahrung. Was ist passiert?

 

(Tränen steigen in ihre Augen) Das Leid unterschied sich nicht, aber meine Funktion. Normalerweise arbeite ich im Auftrag von Hilfsorganisationen, die genau den Menschen helfen, die ich fotografiere.

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Bangladeschs berühmtester Fotograf GMB Akash, den ich sehr bewundere, brachte mich in die Fabriken zu den Kindern. Sie schufteten vor meinen Augen und ich konnte nichts für sie tun. 

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Es war klar, dass ich die Bilder an SOS Kinderdörfer gebe würde, aber die wussten nicht, ob die sie wirklich verwenden können, da es keine Kinder aus ihren Projekten waren. Das hat mich umgehauen. Kinderarbeit mir anzusehen, war für mich als Fotografin bisher das schwierigste, was ich bisher fotografiert habe.

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Es betrifft jedes zehnte Kind des Landes. 

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Sie träumen von der Schule, aber das können sich ihre Familien nicht leisten. 

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Selbst wenn beide Eltern bis ans Ende ihrer Kräfte arbeiten, reichen ihre Löhne nicht, um die Miete bezahlen zu können.

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Ich interviewte für SOS Kinderdörfer eine Mutter. Sie verdiente so etwa 1,90 Dollar am Tag und zahlte 350,- Dollar Miete im Monat für ein gammeliges Zimmer ohne Strom. Sie teilte sich das mit ihren beiden erwachsenen Kindern. Es war so klein, dass auf der hochgestellten Pritsche nur zwei nebeneinander liegen konnten, eine Person musste auf der Erde schlafen. Sie taten das abwechselnd. Zwölf weitere Familien nutzten die Toilette, Bad und Küche, für all das mussten sie sich anstellen. Lebensmittel sind ebenfalls nicht günstig. Da müssen die Kinder mitarbeiten, damit es überhaupt etwas zu Essen gibt.

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Die Kinder fangen um 6 Uhr morgens an und kommen um 8 Uhr abends nach Hause. Wenn sie krank sind oder eine Pause machen wollen, werden sie nicht bezahlt, auch nicht bei Arbeitsunfällen. Und das ist brutal.

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Die Kinder arbeiten so hart, überhaupt die Menschen in Bangladesch schuften pausenlos. Wie die Verrückten. Und das unter dem Lärm, dem Schmutz, bei schlechtem oder zu gar keinem Essen. Die meisten haben zwei Kinder, weil sie viel mehr nicht durchfüttern können.

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Und unter welchen Arbeitsbedingungen! Ich musste immer mehrere Anläufe unternehmen, um die Plastikfabriken betreten zu können. Mir schlug die heiße, beißende, stinkende Luft so entgegen, dass ich mein Gesicht schützen musste. Ich rannte immer wieder raus, schnappte nach Luft und keuchte. Die Luft ist zersetzt von Feinstoffplastik, man kann da nicht atmen.

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Die Menschen arbeiten da den ganzen Tag, sie machen das auch nicht lange. Angelblich liegt die Lebenserwartung bei ca. 62 Jahren, aber ich glaube, die armen Menschen sterben weitaus früher. Wenn man durch Dakar fährt, sieht man übertrieben luxuriöse Einkaufsstraßen. Es ist eine große Abspaltung zwischen Arm und Reich.

 

Irgendjemandem gehören die Fabriken.

 

Ja, und hier kauft man die Produkte.

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Wie gehst du mit solchen Erfahrungen um?

 

Mal besser mal schlechter. Manchmal komme ich nach Hause und muss erst mal in meinen Garten schauen. Ich brauche eine Woche, um überhaupt mit Schreiben und Bildbearbeitung anfangen zu können. Es ist manchmal eine schwere Geburt, in dieser Grausamkeit immer wieder umrühren zu müssen, die man da erlebt hat.

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Vor Ort bin ich fokussiert, ich halte mich daran fest, dass ich etwas für die Menschen tue. Das motiviert mich. Mein Entsetzen über die Hölle wird immer größer, aber es erdet mich auch. Ich lerne zu schätzen, was ich habe. Als wir diesen Jungen fragten, wie er heißt, antwortete er wütend, dass er seinen Namen nicht mehr weiß. Er kann sich nicht erinnern. Seit fünf Jahren lebt er obdachlos am Bahnhof. Als wir ihn nach seinen Eltern fragten, schrie er uns an:

 

"Ich hasse meine Eltern, dass sie mir so etwas angetan haben!"

 

Man wird demütig, achtsamer, voller Verständnis, und natürlich inspirieren mich die Leute. Ich frag mich so oft, wenn ich in so einer Situation wäre, würde ich da nicht vielleicht aufgeben? Diese Menschen tun das aber nicht, sie stehen wieder auf und das inspiriert mich. Sie sind meine Vorbilder.

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Woher kommen die Bewohner der Bahngleise?

Obdachlosigkeit verläuft überall auf der Welt nach dem gleichen Prinzip. Menschen bauen sich aus zwei Brettern und einer Plastiktüte ein Haus. Eines Tages kommt die Polizei und räumt den Slum und die Bewohner flüchten auf die Bürgersteige.

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Sie suchen sich einen neuen Ort und fangen von vorne an. 

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Und dann werden sie wieder verdrängt. 

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Und sie fangen woanders wieder an, werden auch von da vertrieben... Sie müssen sich die Lücken suchen, wo niemand freiwillig wohnt oder arbeitet.

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Offiziell arbeiten Kinder in Bangladesch erst ab 14, aber das ist fern der Wahrheit.

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Findet bei dir eine Abstumpfung statt?

 

Nein im Gegenteil, ich verweigere mich dem auch. Ich bin von dem Leid nicht mehr so überrascht, aber es berührt mich auf die gleiche Art zutiefst.

 

Mitgefühl ist auch Teil meiner Arbeit, umso mehr ich mich den Menschen gegenüber öffne, umso besser werden meine Texte und Bilder. Diese können ihnen helfen. Es gehört zusammen.

 

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Sind die Menschen damit einverstanden, dass du ihr Leid zeigst?

 

Sie vertrauen mir, ich glaube, sie merken, dass ich ernsthaftes Interesse an ihnen habe und auf ihrer Seite bin. Dass ich wirklich gekommen bin, um ihre Situation zu verbessern. Ich will nicht nur über sie berichten, irgendwas erhaschen, Fotos machen, sondern ich komme mit dem Anliegen, etwas für sie tun zu wollen. Das spüren Menschen.

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Ich werde fast ein bisschen aggressiv, wenn Leute sagen:

 

"Alea, ich kann deine Bilder gar nicht anschauen, das macht mich so traurig."

 

Da denke ich immer, nächstes Mal, wenn ich in der Hölle bin, sage ich den Kindern:

 

"Tut mir leid, Euch kommt niemand helfen, denn Euer Anblick ist für Europäer zu traurig."

 

Dass wir nur zuschauen, ist ein Privileg, es ist unsere Aufgabe zu helfen.

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Vielen Dank dass wir durch deine Augen und Herz schauen dürfen. Demnächst würden wir gerne erfahren, warum Flüchtlingslager in Bangladesch humaner sind als in Europa.

Autorin Maielin van Eilum

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Fotografin Alea Horst

Korrektorat: Nadia Ratti,

Bastian Exner und Anna Staudacher

Alea Horst

Porträt und Reportage Fotografin

aleahorst.de

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Alea Horst ist nicht klein zu kriegen, jede Hilfsorganisation kann sich bei ihr melden.  

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Spenden an SOS Kinderdörfer

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Was UTIYA bedeutet

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